Gesetz zum Abbau von Bürokratie: Entwurf für Bürokratieentlastungsgesetz IV vorgelegt – der nächste Papiertiger!

Es ist unbestritten: Bürokratische Hürden erschweren Privatpersonen, aber vor allem auch Unternehmen enorm das Leben. Dass sich nun die Bundesregierung dem Thema Bürokratieabbau widmet – wie im Koalitionsvertrag angekündigt –, ist deswegen grundsätzlich sehr zu begrüßen: Nach der Sommerpause hat das Bundeskabinett Eckpunkte für ein viertes Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) beschlossen und damit einen ersten Schritt in Richtung (weiterem) Bürokratieabbau gemacht. Ein großer Wurf ist der Bundesregierung allerdings nicht gelungen.

Bürokratie als zusätzlicher Hemmschuh in schwierigen Zeiten

Die aktuelle politische und weltwirtschaftliche Situation ist für Unternehmen in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung und erfordert teils enorme Anpassungen strategischer Art und tagtäglicher Prozesse – in allen Bereichen eines Unternehmens. Übermäßige Bürokratie wirkt dabei gerade in Zeiten mit großen Umbrüchen und Veränderungen dann als zusätzlicher Hemmschuh.

Insofern ist es mehr als erfreulich, dass man das Thema in der Bundesregierung nun angehen und mit dem IV. Bürokratieentlastungsgesetz an einer Vielzahl von Gesetzen Änderungen vornehmen will. Das Ziel: Abläufe in ganz unterschiedlichen Bereichen sollen effizienter werden und Unternehmen durch den Abbau überflüssiger Bürokratie entlasten. Das Bürokratieentlastungsgesetz soll so vor allem neue Freiräume zum Wirtschaften schaffen.

Als Basis für eine viertes Bürokratieentlastungsgesetz – das III. Bürokratieentlastungsgesetz stammt aus 2019 – wurde nun ein Eckpunktepapier vorgestellt, das auf der Grundlage einer strukturierten Verbändeabfrage zum Bürokratieabbau erstellt wurde. Aus der Mitte der Wirtschaft und Gesellschaft hat man so Entlastungspotenziale ermittelt. Die rund 450 Vorschläge zum Bürokratieabbau, die von knapp 60 Verbänden gemacht wurden, wurden dann vom Statistischen Bundesamt quantitativ und qualitativ nach dem möglichen Entlastungspotenzial kategorisiert und in eine Rangfolge geordnet. Sie bilden nun die Basis für das Eckpunktepapier.

Inhalt des Eckpunktepapiers für Unternehmen

Das Eckpunktepapier bezieht sich auf viele unterschiedliche Bereiche. Einige der Bereiche, die vor allem für Unternehmen und Unternehmer – auch in ihrer Funktion als Arbeitgeber – von Bedeutung sein werden, sind u.a. diese:

  • Reduzierung der Informationspflichten
    Die Informationspflichten für Unternehmen sollen reduziert/reformiert werden. Das soll u.a. Rechtsbereiche wie Energie und Außenwirtschaft betreffen, aber auch die Bereiche Wirtschaftsstatistik, bestimmte Pflichten aus Gewerbe- und Handwerksordnung und branchen- sowie berufsspezifische Verordnungen allgemein. Hier besteht durchaus reelles Entlastungspotenzial.
  • Elektronische Form statt Schriftform als Grundsatz
    Die Digitalisierung soll weiter Einzug ins Rechtswesen halten. So soll künftig nicht mehr die Schriftform die Regelform für Verträge sein: Die elektronische Form soll die Schriftform als Standard für Verträge ablösen, das BGB müsste entsprechend angepasst werden. Das dürfte tatsächlich dazu beitragen, den Rechtsverkehr allgemein und vor allem im unternehmerischen Kontext effizienter zu gestalten.
  • Verkürzung von Aufbewahrungsfristen
    Ein weiterer Punkt, der bisher schon größere mediale Aufmerksamkeit erfahren hat als andere Eckpunkte, ist die geplante Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für handels- und steuerrechtliche Buchungsbelege. Belege wären dann künftig nicht mehr zehn, sondern acht Jahre aufzubewahren. Ob diese Verkürzung aber tatsächlich zu einer gesamtökonomischen Entlastung führt, möge dahingestellt bleiben.
  • Elektronische Form im Arbeitsrecht
    Im HR-Bereich könnte das Bürokratieentlastungsgesetz an einigen Stellen für eine Verbesserung allzu starrer Prozesse sorgen:

    Arbeitgeber sollen beispielsweise durch eine Anpassung des Nachweisgesetzes entlastet werden: es soll nach der Reform durch das Bürokratieentlastungsgesetz kein gesonderter Nachweis mehr über wesentliche Vertragsbedingungen erbracht werden müssen. Das gilt allerdings nur, wenn der Arbeitsvertrag bereits in einer die Schriftform ersetzenden gesetzlichen elektronischen Form geschlossen wurde. Altverträge können also nicht einfach umgestellt werden. Allerdings werden – so der aktuelle Stand – einige Brachen von dieser Regelung ausgenommen sein, und zwar in Wirtschaftsbereichen nach § 2a Absatz 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (z. B. Personenbeförderung, Speditions-, Transport- und Logistikgewerbe, Schaustellergewerbe und z. B. Unternehmen der Forstwirtschaft).

    Außerdem soll es möglich sein, dass Arbeitszeugnisse künftig in elektronischer Form ausgestellt werden können. Auch das kann HR-Abteilungen entlasten, wie stark ist allerdings fraglich.

    Nicht zuletzt nimmt das Bürokratieentlastungsgesetz IV auch Aushangpflichten für Arbeitgeber in den Fokus, genaugenommen Aushangpflichten aus dem Arbeitszeitgesetz und Jugendarbeitsschutzgesetz. Geplant ist, dass klassische Aushänge in Papierform durch einen „digitalen Aushang“ ersetzt werden können. Das könnte beispielsweise durch eine Veröffentlichung der Information im unternehmenseigenen Intranet möglich werden, wenn alle Mitarbeitenden freien Zugang zu den Informationen haben. Ein an sich guter Ansatz, der aber auch in vielen anderen Bereichen der Arbeitgeber-Arbeitnehmerkommunikation umgesetzt werden müsste.

Von den beschriebenen Erleichterungen des Entwurfs werden im Zweifel aber nur die dispensierten, vielfältigen Informationspflichten die Wirtschaft tatsächlich entlasten. Alles andere ist ein Sturm im Wasserglas. Ob die Unternehmen Unterlagen nun 8 statt 10 Jahre aufbewahren oder ein Zeugnis elektronisch statt physisch ausstellen dürfen, schafft keine relevanten Freiräume, um Innovationen zu entwickeln.

Fehlende Innovationen

Ohnehin wird das Thema „Innovation“ in diesem Entwurf trotz der eindeutigen Verbändeforderung vernachlässigt. Insbesondere fehlen Ansätze, bundesweit zentrale digitale Zugangslösungen für die Wirtschaft voranzutreiben. Zwar existiert auf ELSTER-Basis bereits die Plattform www.mein-unternehmenskonto.de, doch werden hierüber viel zu wenige Dienste zentral und bundesweit als „Single-Point-of-Contact“ für alle Behörden- und Verwaltungsvorgänge organisiert. Die Gefahr des digitalen Flickenteppichs setzt sich hier fort, da einzelne Bundesländer bereits in einzelnen Themen teilweise weiterentwickelte digitale Lösungen bereithalten. So fehlen Lösungen zur bundesweit einheitlichen digitalen Unternehmensgründung und damit zu zusammenhängender Behördenkommunikation, zu digitalen Gewerbemeldungen oder zu einer zentralen Register- und Meldeschnittstelle für Statistikmeldungen. Auch ließe sich darüber nachdenken, Gebühren zur Erteilung verbindlicher Auskünfte durch das Finanzamt endlich abzuschaffen. 57 Verbände haben der Bundesregierung über 440 Vorschläge zum Bürokratieabbau übermittelt. Den Verantwortlichen wünscht man mehr Mut und Weitsicht in der Berücksichtigung.

Fazit

Aktuell wirkt das Bürokratieentlastungsgesetz nicht wie ein großer Wurf, der Unternehmen eine zu starke Belastung durch zu starre bürokratische Pflichten wirklich nehmen kann. Vielmehr scheint die Entlastung nicht von einem großen Konzept getragen zu sein: Das Eckpunktepapier wirkt eher wie ein Flickenteppich, der sich aus den zahlreichen Vorschlägen der Verbände – jeweils geprägt von sehr eigenen Interessen – ohne großen Rahmen zusammensetzt.
Natürlich ist klar, dass Bürokratieabbau kein einmaliges Projekt ist, sondern ein Prozess, der immer wieder neu befeuert und an aktuelle Anforderungen angepasst werden muss. Insofern mag das Kleinklein statt großem Wurf grundsätzlich angemessen sein. Allein bleibt abzuwarten, ob es dem Gesetzgeber gelingt, aus dem Eckpunktepapier einen brauchbaren Gesetzesentwurf für echten Bürokratieabbau zu entwickeln.

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