GmbH & Co. KG: Bundesgerichtshof (BGH) vervollständigt seine Rechtsprechung zur Haftung der Geschäftsführung

  1. Auch der Geschäftsführer einer geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH haftet aus § 43 Abs.2 GmbHG der Kommanditgesellschaft gegenüber.
  2. Dies gilt selbst dann, wenn die Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft nicht die alleinige oder wesentlichen Aufgabe der GmbH ist.

BGH-Urteil vom 14.04.2023 Az. II ZR 162/21

Nach dem Gesellschaftsvertrag einer Publikums-Kommanditgesellschaft war zur Geschäftsführung alleine eine Kommanditistin in der Rechtsform einer GmbH berechtigt. Diese Kommanditistin hatte in zeitlicher Abfolge mehrere Geschäftsführer, die teilweise alleinvertretungsberechtigt gewesen sind. Diese Kommanditistin übte die Geschäftsführung noch in weiteren Fondsgesellschaften in der Rechtsform von Kommanditgesellschaften aus.

Die betroffene Kommanditgesellschaft beschäftigte sich mit der Einwerbung von Anlagegeldern, die sie im Rahmen von Immobilienkrediten an weitere Gesellschaften ausreichte. Diese Darlehen sollten auskömmlich besichert werden. Es kam jedoch im Mai 2012 zu einer Überweisung von Darlehensmittel an eine Darlehensnehmerin, an der der in Anspruch genommene Geschäftsführer nicht mitwirkte, ohne dass eine entsprechende Besicherung zu Gunsten der Kommanditgesellschaft vorlag. Der betroffene Geschäftsführer hatte erst zum Januar 2012 seine Dienste für die Gesellschaft gegen eine monatliche Vergütung i.H.v. 2500 € aufgenommen. In dem der betroffene Geschäftsführer den Mittelabfluss nicht verhindert habe, sei der Kommanditgesellschaft ein Schaden entstanden, da sie den Auszahlungsbetrag von der mittlerweile insolventen Darlehensnehmerin weder zurückverlangen noch Ab- oder Aussonderungsrechte an deren Vermögen geltend machen könne.

Die Vorinstanz verurteilte den Geschäftsführer aus § 43 Abs. 2 GmbHG wegen sorgfaltswidriger Geschäftsführung zu Schadenersatz an die Kommanditgesellschaft. Der BGH bestätigte diese Rechtsauffassung.

Haftung über den Rechtsgedanken des Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter

In Fortführung seiner ständigen Rechtsprechung zur Organhaftung des Geschäftsführers der Komplementärin einer Kommanditgesellschaft sieht der Bundesgerichtshof auch in den Fällen der Geschäftsführung durch eine Kommanditistin die Kommanditgesellschaft in den Schutzbereich des zwischen der geschäftsführenden GmbH einer KG und deren Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses einerseits und der Kommanditgesellschaft andererseits einbezogen. Der Geschäftsführer der GmbH haftet gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Auch ohne die Voraussetzungen des § 328 BGB kann ein am Vertrag nicht beteiligter, aber von dessen Risiken bestimmungsgemäß mit betroffener Dritter berechtigt sein, Schadensersatzansprüche wegen Verletzung einer Schutzpflicht geltend zu machen. Dies setzt voraus, dass (i) ein Dritter bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung in Berührung kommt, (ii) der Gläubiger ein schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrages hat, (iii) nach Treu und Glauben ein Bedürfnis nach Ausbildung des Vertragsschutzes besteht und (iv) die Einbeziehung des Dritten muss dem schutzpflichtigen bekannt oder zumindest erkennbar sein.

Der Bundesgerichtshof sieht richterweise in der Fallkonstellation alle vier Voraussetzungen als erfüllt an. Insbesondere steht für die Ausdehnung der Haftung und des Vertragsschutzes nach Treu und Glauben ein berechtigtes Bedürfnis, da die Kommanditgesellschaft einem pflichtwidrigen Verhalten des Geschäftsführers ohne unmittelbare Eingriffsrechte (beispielsweise Weisungsrechte) ausgesetzt ist. Sie kann noch nicht einmal verhindern, dass die Gesellschafter der GmbH ihren Geschäftsführer Entlastung erteilen. Solche Entlastung führt jedoch nicht zum Ausschluss von Ersatzrechten der Kommanditgesellschaft gegen den Geschäftsführer.

Haftung auch dann, wenn die geschäftsführende GmbH noch andere Gesellschaften führt; keine Entlastung durch Mehrfachgeschäftsführung

Das Gericht positioniert sich auch hinsichtlich einer weiteren, bisher nicht beantworteten Rechtsfrage und erkennt die Haftungserstreckung auf den Geschäftsführer auch dann an, wenn die Führung der Geschäfte der betroffenen Kommanditgesellschaft nicht der alleinige oder hauptsächliche Geschäftsgegenstand der GmbH gewesen ist. Die Kommanditgesellschaft soll darauf vertrauen dürfen, dass die geschäftsführende GmbH ihr die geschuldete Obhut und Fürsorge unabhängig von der Anzahl weiterer übernommener Geschäftsführungen oder sonstiger gesellschaftsfremde Aufgaben entgegenbringt. Es ist die Aufgabe der geschäftsführenden GmbH zu gewährleisten, Pflichten aus der Geschäftsführung gegenüber der Kommanditgesellschaft erfüllen zu können. Erkennt sie, dass sie dazu nicht in der Lage ist, muss sie das Maß ihrer Aufgaben begrenzen

Haftung auch trotz einer interne Ressortverteilung wegen Überwachungspflichtverletzung

Der BGH wiederholt die Haftungsgrundsätze im Fall der Bestellung von mehreren Geschäftsführern. Er stellt erneut klar, dass jeden Geschäftsführer grundsätzlich die Pflicht zur Geschäftsführung im Ganzen trifft. Eine zulässige Ressortverteilung lässt die Verantwortung für die Geschäfte nicht entfallen. Dem organisatorisch nicht betroffenen Geschäftsführer obliegen wegen seiner Allzuständigkeit mindestens Überwachungspflichten, deren Reichweite nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles zu bestimmen sind. Insbesondere muss der Geschäftsführer Hinweisen auf Fehlentwicklungen oder Unregelmäßigkeiten in einem fremden Ressort immer und unverzüglich nachgehen! Es besteht nach Auffassung des Gerichtes keinen Grund Schutzwirkung zugunsten der Kommanditgesellschaft deshalb zu beschränken, weil „nur“ eine Überwachungspflichtverletzung vorliegt. Das Gericht ging im vorliegenden Fall von einer Überwachungspflichtverletzung aus, weil sich bereits aus einem der Geschäftsführung zugänglichen Bericht aus November 2011 ergeben habe, dass die im Kerngeschäft der Gesellschaft geforderte Besicherung nur zu einem Bruchteil vorliege. Dem betroffenen Geschäftsführer hätte bei pflichtgemäßer Geschäftsführung und Ausübung seiner Überwachungspflicht dieser Missstand im Kerngeschäft nicht verborgen bleiben dürfen.

 

Praxishinweis

Unabhängig von der erwartbaren Erkenntnis, dass eine Haftung aus § 43 II GmbHG auch über eine Kommanditisten-GmbH vermittelt werden kann, ist dieses Urteil ein weiteres Beispiel dafür, dass jeder Geschäftsführer einer GmbH vor und nach der Aufnahme seiner Tätigkeit eine umfassende Würdigung der Lage der Gesellschaft und möglicher Haftungsrisiken vornehmen sollte, um zu verhindern, dass durch ein einfaches „wir machen erst einmal weiter so“ die Gesellschaft in einen Schaden hineinläuft, zu dessen Ersatz der neu berufene Geschäftsführer dann verpflichtet ist, obwohl die ursprünglich schädigende Maßnahme durch ihn nicht zu verantworten war.

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