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COMMERCIAL Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, Christine Lambrecht:

„Wir wollen verhindern, dass Unternehmen nur deshalb Insolvenz anmelden müssen, weil die von der Bundesregierung beschlossenen Hilfen nicht rechtzeitig bei ihnen ankommen. Die reguläre Drei-Wochen-Frist der Insolvenzordnung ist für diese Fälle zu kurz bemessen. Deshalb flankieren wir das von der Bundesregierung bereits beschlossene Hilfspaket mit einer Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30.09.2020 für die betroffenen Unternehmen. Mit diesem Schritt tragen wir dazu bei, die Folgen des Ausbruchs für die Realwirtschaft abzufedern.“

Damit kündigt das Bundesministerium für Justiz hat an, dass die Insolvenzantragspflicht aufgrund des Coronavirus vorübergehend ausgesetzt werden soll.

Die aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie bei vielen Unternehmen drohenden Liquiditätsengpässe würden unter normalen Umständen zu einer Flut von Unternehmensinsolvenzen führen, denn Vorstände und Geschäftsführer sind nach derzeitiger Rechtslage verpflichtet, bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung binnen drei Wochen einen Insolvenzantrag für das von ihnen geleitete Unternehmen zu stellen (§ 15a Abs.1 S.1 InsO). Das Unterlassen dieser Maßnahme ist nach aktueller Rechtslage strafbar und führt zu einer persönlichen Haftung der Vorstände bzw. Geschäftsführer für Zahlungen durch die Unternehmen nach Eintritt der Insolvenzreife.

Da die Unternehmen aktuell zu Überwindung dieser Krise nicht auf Erfahrungswissen zurückgreifen können und täglich die Lage neu bewertet werden muss, möchte die Bundesregierung den betroffenen Personen die Luft verschaffen, mit einem vernünftigen zeitlichen Horizont die Lage bewerten und Handlungsalternativen entwickeln zu können. Die Regierung möchte mit allen Mitteln verhindern, dass bisher gesunde Unternehmen und mit diesen verbundenen Arbeitsverhältnissen in Gefahr geraten. Zwar hat die Regierung zahlreiche Hilfen für Unternehmen angekündigt. Fraglich ist aber, ob die Hilfen rechtzeitig – vor Ablauf der dreiwöchigen Insolvenzantragspflicht – bei den Unternehmen ankommen. Als Vorbild für die Aussetzung dienen die Regelungen zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, wie sie bereits anlässlich der Hochwasserkatastrophen in den Jahren 2002, 2013 und 2016 getroffen wurden.

Voraussetzung für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Nach der Ankündigung des Bundesjustizministeriums soll die Aussetzung der Antragspflicht vermeiden, dass betroffene Unternehmen allein deshalb einen Insolvenzantrag stellen müssen, weil die Bearbeitung von Anträgen auf öffentliche Hilfen bzw. Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen in der außergewöhnlichen aktuellen Lage nicht innerhalb der dreiwöchigen Insolvenzantragspflicht abgeschlossen werden können.

Für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sollen daher zwei Voraussetzungen gelten:

  1. Der Insolvenzgrund beruht auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie.
  2. Es bestehen aufgrund einer Beantragung öffentlicher Hilfen bzw. ernsthafter Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen eines Antragspflichtigen begründete Aussichten auf Sanierung.

Die Regelung soll zunächst bis zum 30. September 2020 gelten. Eine Verlängerung der Regelung bis zum 31.03.2021 ist möglich.

Jede Medaille hat aber zwei Seiten. Die grundsätzlich zu begrüßende Initiative des BMJV bleibt in der Anwendung mit Risiken behaftet. Zum einen steht das Maßnahmenpaket öffentlicher Hilfen noch nicht fest, anhand derer die Erfolgsaussichten einer Sanierung beurteilt werden können, zum anderen ist fraglich, ob hiervon auch Unternehmen betroffen sind, die vor der Pandemie eine Sanierungsmaßnahme durchlaufen haben, eine positive Fortführungsprognose entwickelt haben, diese aber nunmehr durch die Folgen der Pandemie unterlaufen wurden. Besser wäre es noch gewesen, gleich auch den Insolvenzgrund der Überschuldung zu suspendieren, um einfache und deutliche Rechtsklarheit zu erlangen.

Allen Geschäftsleitern ist in dieser Situation zu empfehlen, klar und eindeutig Liquidität und Schuldenstatus (im Insolvenz-rechtlichen Sinne) zu dokumentieren und deren Beeinflussung durch die Folgen der Pandemie in Tagesprotokollen festzuhalten. Im Zweifel sollten sie Rechtsrat einholen, um verbleibende Risiken zu minimieren. Bleiben Sie gesund!

Beitrag veröffentlicht am
19. März 2020

Christoph Schmitz-Schunken
CTC LEGAL
Rechtsanwalt, Steuerberater, zertifizierter Berater in Steuerstrafrecht (DAA)
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